Die Ratsversammlung der Landeshauptstadt Kiel hat gestern neue Mietobergrenzen für Kiel beschlossen. Sie sollen rückwirkend ab 01.01.2017 gelten. Die alten Mietobergrenzen waren nur bis zum 30.11.2016 gültig. Die Ratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hatte zuvor erfolglos die Überweisung in den Sozialausschuss beantragt, damit dieser noch einige Unklarheiten hinterfragen könne. Üblicherweise soll sich der Sozialausschuss vor Beschlussfassung mit dem Thema beschäftigen. Hiervon sah der zuständige Dezernent aber ab.
Begrenzt eine Gemeinde die Übernahme der tatsächlichen Kosten für Unterkunft und Heizung, so muss sie in einem sogenannten „schlüssigen Konzept“ erläutern, wieso die jeweiligen Mietobergrenzen gerechtfertigt sind. Das hier jetzt vorgelegte „schlüssige Konzept“ überzeugt nicht. Als Datengrundlage wurden angeblich die für den 2017 veröffentlichten Mietspiegel der Landeshauptstadt Kiel zugrundegelegten Daten herangezogen. Aus dem schlüssigen Konzept ist aber kein Rechenweg ersichtlich, der die festgelegten Mietobergrenzen nachvollziehbar macht.
Laut Bundessozialgericht dürften niedrigere Betriebskosten nicht erlaubt sein
Offenbar hat sich das mit der Erstellung des „schlüssigen Konzeptes“ beauftragte Institut auch bei der Berechnung der anerkennungsfähigen Betriebskosten verrechnet. Während im Mietspiegel durchschnittliche Betriebskosten von 1,91 Euro/m² errechnet wurden, geht das „schlüssige Konzept“ ohne jede weitere Begründung von nur 1,55 Euro/m² aus. Dabei beruft sich das „schlüssige Konzept“ aber klar auf die Daten des Mietspiegels. Der Mietspiegel sieht jedoch ausdrücklich nur die (allgemeinen) durchschnittlichen Betriebskosten vor. Hier rächt sich, dass es sich um einen erstmals beauftragten Dienstleister handelt – denn der frühere Ersteller des schlüssigen Konzepts hätte sich vielleicht erinnert, dass diese Frage – auch für die Landeshauptstadt Kiel – bereits 2012 vom Bundessozialgericht behandelt wurde (Az. B 14 AS 13/12 R). Darin hält das Bundessozialgericht klar fest, dass die statistisch vorliegenden Daten zu den Betriebskosten genutzt werden müssen, wenn keine andere Datengrundlage vorhanden ist, die Abschläge rechtfertigt.
Datengrundlage bereits vernichtet?
Ein weiterer Punkt dürfte die Überprüfbarkeit – ob die Mietobergrenzen insgesamt korrekt ermittelt wurden – sein. Der Dienstleister GEWOS, der den Mietspiegel erstellt hat, hat nach eigenen Aussagen die Datensätze bereits vernichtet. Da die Daten angeblich auch für das schlüssige Konzept genutzt worden sein sollen, ist hier die Frage interessant, ob sie dem damit beauftragten (anderen) Dienstleister bzw. der Landeshauptstadt Kiel noch vorliegen.
Also wieder einmal: Überprüfungsantrag, Widerspruch, Klage!
Abwarten hilft hier meistens wenig. Leistungsempfänger, deren tatsächliche Kosten der Unterkunft höher sind als in der Mietobergrenze ausgewiesen, die also dazu zahlen müssen, ist unbedingt geraten, sich gegen entsprechende Bescheide zu wehren! Nur dann ist es möglich, dass das Jobcenter auch für vergangene Monate Nachzahlungen veranlasst.
Die Mietobergrenzen werden verwendet, um die tatsächlichen Kosten der Unterkunft für Leistungsbezieher nach SGB II und SGB XII zu begrenzen. Liegen die Kosten der Unterkunft eines Leistungsbezieher oberhalb der Mietobergrenze, so ist die Differenz selbst zu tragen. Insbesondere im Falle eines Umzugs kann dies zu erheblichen Schwierigkeiten führen, da die Mietobergrenze aus alten Daten besteht und die Neuvertragsmiete darin nicht abgebildet wird. Im Kieler Mietspiegel 2017 stammen die Daten aus den Jahren 2012 bis 2016. Ob zu den damals geltenden Mietpreisen auch 2018 eine Wohnung gefunden werden kann, ist zweifelhaft.